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Xiv. §. 8. Cäsar's Hervortretrn.
Unglaubliche in Rom geschehen, daß einer der ruchlosesten Ban-
denführer aus dem Adel der Stadt, Sergius Catilina, jahrelang
vor Jedermanns Augen mit einer ganzen Rotte Bösewichter einen Ver-
schwörungsplan betrieb zur Überwältigung des Senats und Einäsche-
rung der Stadt, zu Mord, Raub und Brand — und dennoch schritt
Niemand gegen ihn ein, bloß weil eö an rechtlichen Beweismitteln
fehlte. Ja als endlich die klarsten geschriebenen Documente und Be-
weisstücke Vorlagen und nach dem Beschluß des Senats wenigstens
die Hauptverschworenen (Catilina war schon aus der Stadt entwi-
chen) hingerichtet wurden, konnte man noch nach Jahren eine Anklage
erheben und die Strafe der Verbannung aussprechen gegen den Con-
sul, der die Hinrichtung betrieben, bloß weil er nicht alle rechtlichen
Formen dabei beobachtet hatte. Dieser Consul war der berühmte
Redner Cicero, ein redlicher Mann, der das Beste des Staats auf-
richtig wollte und von dem allgemeinen Verderben nur wenig selber
angesteckt war, ein Philosoph, welcher der Tugend nachstrebte. ■ Ihm
zur Seite standen noch andere philosophische Männer, treue Anhänger
der Republik, aber alle zu beschränkten Blickes, als daß ste hätten
fassen können, daß durch bloßes Festhalten und Wiederherstellen der
veralteten republikanischen Formen und Sitten kein neues Leben dem
verrotteten Volke eingehaucht werden könnte. An ihrer Spitze stand
der ehrenwerthe Cato, jenes strengen Urgroßvaters würdiger Nach-
folger, aber gebildeter, vielseitiger, geistig und sittlich tüchtiger als er.
An diese damals am meisten in Rom hervorragenden Männer meinte
Pom pejus sich anlehnen zu müssen, da er nach seiner Rückkehr er-
kannte, daß er nur durch einflußreiche Verbindungen seine Machtstel-
lung sich bewahren könnte. Aber da er bald merkte, daß Cato nur
das Wohl des Staates, nicht des Pompejus suchte, Cicero aber
des Staates Vortheil wenigstens mit dem des Pompejus zu verbinden
trachtete, so suchte er andere Verbindungen auf, die ihm besser zum
Zwecke dienen möchten. Und schon stand der Mann bereit, der, zum
Begründer einer neuen Zeit für Rom und für die Völker ausersehen,
schnell die günstige Gelegenheit ergriff, um durch die Verbindung mit
dem Pompejus anscheinend dessen Einfluß zu stärken, in der That
aber sich selber die Staffel zu bauen zu der Höhe des Ruhms und
der Macht, die seit langen Jahren bereits seine Seele erfüllte. Ju-
lius Cäsar verband und verschwägerte sich mit Pompejus, und
durch Hinzuziehung des überreichen Crassus, der mit seinen
Geldkräften überall herzutreten und aushelfen sollte, entstand der erste
berühmte Dreimännerbund (Triumvirat), durch welchen etwa zehn
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182 Xiii. §. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik.
verbunden mit unablässigen Kriegsleistungen und harten Besteuerun-
gen, herbeigeführt war, so suchten sie vor allen Dingen eine neue und
billigere Vertheilung des Ackerlandes herbeizuführen, was ihnen frei-
lich erst in sehr später Zeit vollständig gelang. Sodann aber richte-
ten die Tribunen besonders ihr Augenmerk auf die Feststellung ge-
schriebener Gesetze, durch welche die Plebejer gleiche Rechte mit den
Patriciern vor Gericht erlangen sollten. Wirklich entstanden um 450
die zwölf Gesetzestafeln der Decemvirn und gewährten die verlangte
Rechtsgleichheit. War diese gewährt, so mußte auch die letzte Schranke
zwischen Patriciern und Plebejern fallen, es mußte das Recht der
wechselseitigen Heirath zwischen beiden Theilen nachgegeben werden,
und nun konnte man endlich auch die höheren Staatsämter den mit
Patriciern verschwägerten Plebejern nicht mehr verweigern. In un-
ablässigem Vorschreiten gelangten sie in den Besitz des Consulats, der
Diktatur, endlich auch des richterlichen Prätoramts und des Censor-
amts, welches die Patricier als eine oberste Aufsichtsbehörde über das
Vermögen und die gute Sitte der Bürger ausdrücklich ihren eignen
Standeögenossen Vorbehalten hatten. Die letzten Aemter, die noch zu
erringen waren und endlich auch errungen wurden, waren die prie-
sterlichen; und damit schloß dieser merkwürdige Kampf zwischen den
beiden Tbeilen der römischen Gemeinde ab, mit dem vollständigen
Siege der Plebejer.
Man hat sich zwar gewöhnt, die älteren Zeiten der römischen Repu-
blik als eine herrliche Zeit voll Einfachheit, Nüchternheit, Gerechtigkeit
und Edelmuth anzusehen, und man muß wirklich den Römern das
Zeugniß geben, daß sie in mancher Beziehung eine sehr ehrenhafte Ge-
sinnung bewiesen, namentlich in Vergleich mit der damaligen Sittenlosig-
keit, Schwelgsucht lind Untreue der Orientalen und auch der Griechen.
Aber dadurch wird das andere Urtheil nicht aufgehoben, daß sie so
arge Egoisten waren, wie nur je unter den Heiden gefunden sind.
Gerade die Kämpfe zwischen Patriciern und Plebejern sind so voll der
schrecklichsten Beispiele solcher Eigensucht, die mit allen Mitteln der
Gewalt und List ihre vermeintlichen Rechte durchsetzen will, daß wir
ein langes Register von Frevelthaten aufstellen könnten, welche uns
durch ihre eignen Schriftsteller ausbewahrt sind. Wir erinnern nur
beispielsweise an den Coriolanus, der, wegen seines Hasses und sei-
ner grausamen Vorschläge gegen die Plebejer ans Rom vertrieben, sich
mit den Feinden verband und heraurückte, um seine eigne Vaterstadt
zu bekämpfen; ferner an den Spur ins Ca ssius, der von seinem
eignen Vater zum Tode verurtheilt wurde, weil er sich den Plebejern
günstig erwiesen; an die 200 edlen Fabier, die aus dein gleichen
Grunde von ihren Standesgenossen dem Feinde schändlich geopfert
wurden. Höher noch steigerte sich der Frevelmuth in der Ermordung
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Xiii. §. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik. 181
und die Eroberung einzelner Städte, von denen z. B. die nur wenige
Meilen von Rom gelegene Stadt Veji erst nach zehnjähriger Bela-
gerung gewonnen werden konnte. In einzelnen großartigen Zügen
sieht man auch wahrend dieser langen Zeit des Stillstandes noch im-
mer die alte abstracte Römertugend wieder Hervorbrechen; so in der
vielbewunderten Selbstverleugnung des Quinctius Cincinnatus,
der, vom Pfluge weg zur Dictatur gewählt, nach ruhmvoll erfochte-
nem Sieg über die Feinde wieder zum Pfluge trat; oder in dem
stolzen Edelmuth des Camillus, der den Schulmeister der belager-
ten Stadt Falerii von den eignen Schülern, die jener verrätherisch dem
Feinde überliefern wollte, wieder in die Stadt zurückpeitschen ließ.
Aber auch solche einzelne Züge sind während der genannten Zeit doch
nur sehr sparsam. Dagegen finden wir im Innern der Stadt wäh-
rend dieser Zeit eine Reihe von Gewaltsamkeiten und Frevelthaten,
welche uns das wilde Wolfsgesicht des römischen Staates auf eine
erschreckende Weise wieder enthüllen. Sie stehen allesammt in Ver-
bindung mit dem hartnäckigen und wüthenden Kampf innerhalb der
römischen Ringmauern, dem Kampf der Plebejer gegen die Patricier,
um gleiche politische Rechte, um Theilnahme an den republikanischen
Remtern und Würden und an der ganzen Staatsleitung zu erlangen.
Die Plebejer haben ihr Ziel wirklich erreicht; aber nur Schritt vor
Schritt konnten sie von der zähen Weigerung der Patricier bald dies,
bald jenes kleine Zugeständniß sich erkämpfen; und das kaum Er-
kämpfte ward ihnen unablässig wieder bestritten und aus den Händen
zu winden versucht. Dennoch siegten sie, und zwar war der erste
Schritt zum Siege die Aufstellung besonderer plebejischer Schirmvögte
mit sehr ausgedehnten Befugnissen zur Abwendung allgemeiner Maß-
regeln und Gesetze, die den Plebejern nachtheilig wären, und zur Be-
schirmung jedes einzelnen Plebejers, der von etwelchem Patricier
beeinträchtigt würde. Diese Befugniß, sich ihre Schirmvögte, Tribu-
nen selber zu wählen, und zwar in Comitien, zu welchen die Patricier
keinen Zutritt hatten (comida tributa), hatten die Plebejer erst er-
langt, als sie mit einer völligen Trennung und Auswanderung droh-
ten und sich bereits kriegerisch gerüstet und in ihrem gesonderten
Lager auf dem heiligen Berge verschanzt hatten.
Die Tribunen hatten zunächst die Sorge, der immer mehr um
sich greifenden Verarmung und Verschuldung der Plebejer abzuhelfen
und vorzubeugen. Da die Verarmung besonders durch die Schmäle-
rung des römischen Gebiets seit der Vertreibung der Könige, durch
die Rückgabe der bisher von Plebejern bebauten Staatsländereien,
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xm. §. 9. Rom und die Gallier.
183
des plebejischen Tribuns Genucius, der die Consuln zur Rechenschaft
hatte ziehen wollen. Nachdem beide Theile eben in einer furchtbaren
Pest, welche in Rom Leichen über Leichen häufte, eine schwere Strafe
für ihren wilden Eigensinn erhalten, folgten gleich wieder die meuteri-
schen Scenen durch den Quinctius, dessen Bande mit Tod und
Wunden mitten in Rom gegen die Plebejer wüthete. Welchen Knäuel
von Frevelthaten enthüllt uns ferner die Geschichte der sogenannten De-
cem vtrn. Die schändliche Hinopferung des evlen S icc ius, der Raub
der Virginia und deren Hinschlachtung durch den eignen Vater, der
abermalige Auszug sämmtlicher Plebejer auf den heiligen Berg, der Tod
des Appius Claudius und des Oppins im Gefängniß, es sind
nur einzelne Züge aus diesem schauervollen Nachtbild. Endlich, da
eben wiederum eine schreckliche Hungersnoth die Leidenschaften hätte
kühlen und zähmen sollen, zeugte die schreckliche Gewaltthat, die an dem
Spurius Mälius begangen wurde, und die schmähliche Verbannung
des sieggekrönten Camillus, daß die Tugend und Gerechtigkeit des
Römers immer nur so weit reichte, als seine egoistischen Rechtsbegriffe
und Standesvorurtheile es ihm erlaubten; darüber hinaus aber jeder
Ungerechtigkeit und Gewaltsamkeit Thor und Thür geöffnet war.
§. 9- Rom und die Gallier.
Nachdem wir bisher unsere Blicke ausschließlich auf die Stadt
Rom und deren nächste Umgebung gerichtet hatten, müssen wir ihn
jetzt einen Augenblick über einen großen Theil des nördlichen und
westlichen Europa schweifen lassen. Denn von jenen Ländern her,
über welche Rom dereinst seine eiserne Gewaltherrschaft ausbreiten
sollte, kam den Römern, als sie ganz vertieft waren in ihre bürger-
lichen Fehden und Rechtsstreitigkeiten, eine sehr gewaltsame und nach-
drückliche Erinnerung, daß sie, anstatt ihres Berufes, die Welt zu
überwinden, eingedenk zu sein, sich durch ihre eigne Schuld dermaßen
geschwächt hatten, so elend und leicht überwindlich geworden waren,
daß es nur eines einzigen kräftigen Stoßes von außen bedurfte, und
ihre ganze stolze Stadt mit allen Tempeln und Palästen, mit allen
Patriciern und Plebejern, Senat und Consuln, fiel über den Hau-
fen. Kelten oder Gallier brachen von Norden herein, vernichteten
das römische Heer an der Allia (389), plünderten und verbrannten
Rom, erschlugen was noch Lebendiges sich darin vorfand, belagerten
die letzte Burg, die noch in den Händen der Römer geblieben war,
das Capitol, und ließen nur durch Gold sich zum Rückzug bewegen.
Zwar werden auch hier einzelne Züge von heldenmüthiger Tapferkeit
und Großgesinntheit hervorgehoben, um die Schande dieser Nieder-
lage und Einäscherung Rom's zu verdecken; z. B. die Selbstaufopfe-
rung der achtzig vornehmen Greise auf dem römischen Forum, die
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Extrahierte Personennamen: Claudius Spurius_Mälius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Rom Rom Europa Rom Rom
184
Xiii. §. 9. Rom und die Gallier.
Erklimmung des Capitols durch den Pontius, die Rettung der
Burg durch den Manlius und der Sieg des Camillus über die
abziehenden Gallier. Aber durch dergleichen einzelne Großthaten
wurde der Schade nicht gebessert. In jämmerlicher Unordnung und
Uebereilung wurde Rom wieder aufgebaut, fast sämmtliche Nachbarn
benutzten die Noth, um die Römer mit Krieg zu überziehen; die
verwüsteten Aecker und Häuser, die harten Kriegsdienste und Steuern
brachten den ärmern Theil der Bevölkerung, also besonders die Ple-
bejer in die drückendste Noch. Zwar wurden an 2000 plebejische
Familien als Colonisten in die benachbarten Gebiete verpflanzt. Aber
auch damit war der Noth und der Mißstimmung des Volks nicht
abgeholfen, und da die Patricier seinen Liebling und Beschützer Man-
lius, den Retter des Capitols, als Hochverräther anklagten und vom
Felsen stürzen ließen, nahm die Erbitterung einen so drohenden Cha-
rakter an, daß die licinischen Forderungen endlich gewährt werden
mußten. Li ein ins forderte nämlich, daß den durch die öffentlichen
Unglücksfälle verschuldeten Plebejern ihre Schuld abgenommen und
Jeder durch gleichmäßigere Vcrtheilung der Staatsländereien in Stand
gesetzt werden sollte, von dem Ertrag seines Feldes durch seiner
Hände Arbeit sich selber sein Brod zu erwerben, endlich daß, um die
erlangte volle Rechtsgleichheit beider Stände jederzeit praktisch vor
Augen zu stellen, immer einer von den beiden Consuln ein Plebejer
sein sollte. Mit diesem Zugeftändniß war der Kampf zwischen Pa-
trieiern und Plebejern nach vierhundertjähriger Dauer im Wesentli-
chen schon entschieden. Von 'da an ward der Unterschied zwischen
beiden Ständen bedeutungslos und fiel allmälig völlig dahin. Der
Wohlstand und die weitere Entwicklung des gesummten Volks grün-
dete sich seit der Annahme der licinischen Gesetze ausschließlich auf
Grundbesitz und Ackerbau. Auf diese sicheren Grundlagen seines Be-
stehens gestützt und der aufreibenden Rechtsstreitigkeiten im Innern
entledigt, konnte der Römer von nun an wieder frischer nach außen
blicken, und den von Alters her behaupteten Beruf zur Weltherrschaft
auf's Neue in'ö Auge fassen, nachdem der Einbruch der Gallier ihm
als kräftiger und schmerzlicher Sporn zu dieser neuen Bewegung nach
außen hin hatte dienen müssen.
Die Gallier, Galater oder Kelten bildeten, wie schon in §. 3 dieses
Abschnitts erwähnt wurde, einen der drei großen Hauptäste, in welche
sich der nach Mitteleuropa hinüberneigende gewaltige Hauptstamm des
arischen oder indogermanischen Volkslebens verzweigte. Die beiden
anderen waren Germanen lind Slaven. Die Gallier oder Kelten hatten
sich, wie es scheint, am frühesten aus ihrer asiatischen Heimath losge-
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204
Xiv, §. 4. Verderbniß in Rom,
bietende Opnmat konnte darauf rechnen, daß seine Vorschläge durch-
gingen. War aber keine Frage zu entscheiden, die augenblickliche
Privatinteressen berührte, für welche es sich also Jemand etwas ko-
sten ließ, so war das einzige Mittel, das unverständige Volk zu
lenken: die Redekunst. Soeben hatte man sie von den Griechen
gelernt und war noch immer eifrig beflissen, sie zu lernen: die nichts-
würdige Kunst, nicht etwa die Wahrheit in siegender Kraft vor die
Augen zu legen, sondern den Schein der Wahrheit mit trügerischen
Schlüssen in blendenden Lügen dem Volke genehm zu machen und es
zu dem beabsichtigten Zwecke zu lenken. So lange nun die elende
Masse des Volks ohne Haupt und Führer blieb, war wenig von ihr
zu fürchten. Sobald sich aber ein Redner und Aufwiegler an ihre
Spitze stellte, um entweder aus aufrichtigem Mitleid oder aus ehr-
geizigem Interesse ihre Sache gegen die Optimaten zu verfechten,
mußte es nothwendig zu einem blutigen Zusammenstoß kommen, und
damit war denn das erste Stadium der neuen Krankheitsperiode be-
zeichnet, in Welche Rom jetzt eingetreten war, die Periode der inneren
Unruhen und Bürgerkriege. Die schweren Unruhen, welche erst Ti-
berius, später Casus Sempronius Gracchus zwölf Jahre
hindurch*) in Rom erregten, die Bürgerkämpfe, das Blutvergießen
auf den Straßen, in den Tempeln, die schrecklichen Mordanschläge
und grausamen Verfolgungen von beiden Seiten führten zwar am
Cnde doch nur wieder zu einem Sieg der Optimaten und zu stärkerer
Bedrückung des Volks; aber sie öffneten allen nachfolgenden Dema-
gogen eine weite Aussicht. Denn jetzt war der Weg ihnen vorge-
zeichnet, wie man es anfangen müsse, um das römische Volk und
somit den Weltkreis zu beherrschen.
Auch noch auf einer andern Seite kam zu derselben Zeit das Nebel
zum Ausbruch. In früheren Zeiten war es eine Ehre der kriege-
rischen Jugend des römischen Adels gewesen, bei festlichen Gelegenhei-
ten feierliche Kampfspiele aufzuführen. Da aber die kriegerische Begei-
sterung erlosch, ließ man lieber den Sklaven das gefährliche Spiel, und
um die Schaulust desto vollständiger zu befriedigen, ließ man sie gleich
auf Tod und Leben kämpfen. Zuerst bei den Begräbnißfeierlichkeiten
angesehener Römer, dann auch bei anderen Festlichkeiten, zuletzt sogar
bei schwelgerischen Gelagen mußten nun diese Unglücklichen, in beson-
deren Fechterschulen dazu abgerichtet, bald paarweise, bald in Massen
mit einander kämpfen und zur Belustigung der Zuschauer sich schmerz-
*) Es war die Zeit, da nach dem Tode des weisen Simon der Maccabäer Jo-
hannes Hyrcanus Fürst und Hoherpriestcr in Jerusalem war.
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Xiv. §. 6. Die Zeit der ersten Bürgerkriege. 207
nicht durch männliche Erhebung der römischen Zugend selber ist das
geschehen, sondern durch Verstärkung der Heere mittelst fremder Söld-
linge aus den Barbaren. Der innere Krebsschaden fraß inzwischen
ungehindert weiter. Marius selbst wurde der schlimmste Störenfried,
Volksaufwiegler und Blutmensch. Kaum nach Rom zurückgekehrt, be-
gann er seine Ränke gegen die Optimatenpartei in gemeinster Scham-
losigkeit; und Mordgeschrei und wüthendes Toben erfüllten sofort wie-
der Straßen und Markt. Noch einmal griff Gott der Herr darein;
noch einmal mußte eine schwere gemeinsame Noth die wilden Parteien
zur Ruhe bringen. Die italischen Bundesgenossen, aus deren
Schultern Rom sich zu der Höhe seiner Macht emporgeschwungen, und
denen das so oft versprochene römische Bürgerrecht immer wieder ver-
weigert wurde, drohten sich von Rom völlig loszusagen, und wirklich
begannen sie schon in Corfinium, dem Mittelpunkt ihrer neugeschaf-
fenen Bundesrepublik, ein Gegenrom und einen Gegensenat aufzustellen.
Kaum aber war auch dieser schwere und gefahrdrohende Krieg durch die
jetzt wieder gekräftigte Heeresmacht und das Feldherrntalent der Römer
zu Ende gebracht (doch so, daß die Bundesgenossen wirklich das Bür-
gerrecht erlangten), so begann Marius sein wildes, ehrgeiziges und
herrschsüchtiges Treiben in Rom auf's Neue. Aber jetzt hatte auch
die Gegenpartei der Optimalen einen Führer bekommen, der ihm ge-
wachsen war. Sulla, der gewandte, seingebildete, mit griechischer Li-
teratur, wie damals der ganze römische Adel, wohl vertraute Mann,
eben so tapfer und glücklich im Felde als schlau und gewandt in diplo-
matischen Unterhandlungen, übrigens ein gewissenloser und sittenverdor-
bener Mensch wie Alle seines Gleichen, hatte schon im jugurthini-
schen Kriege dem Marius seinen wohlerworbenen Ruhm streitig ge-
macht, hatte noch mehr im Bundesgenossenkriege sich vor dem
Marius hervorgethan, und trat jetzt als Consul und erwählter Heer-
führer für einen in Klein-Asien ausgebrochenen Krieg den ehrsüchtigen
Ansprüchen des Marius gegenüber. Da konnte eine blutige Ent-
scheidung nicht ausbleiben.
§. 6. Die Zeit der ersten Bürgerkriege.
Wir treten in die Periode der Bürgerkriege ein, welche die letz-
ten 60 Jahre der römischen Republik (90 — 30) fast unaufhörlich
mit ihrem Getümmel erfüllen. Zwar war schon seit den Zeiten des
Tiberius Gracchus (133) in den unablässigen Fehden der Volks-
partei gegen die Optimalen Bruderblut genug geflossen. Aber das
waren Straßenkämpfe gewesen, Tumulte ohne Plan und Zusammen-
hang. Zum ersten Male im Bundesgenoffenkriege wendeten die bis
dahin vereinigt kämpfenden Legionen ihre Feldzeichen mit dem gan-
zen kriegerischen Pomp wider einander. Auch das konnte noch nicht
als eigentlicher Bürgerkrieg gelten, weil dies Mal die italischen
Nicht-Römer den schnell wieder vereinigten und durch ihre Ver-
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius Sulla Marius Marius Marius Marius Marius Marius Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Corfinium Bundesrepublik Rom